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Coaching als Hebammenkunst – und weshalb das nur ein Teil der Wahrheit ist
Coaching ist keine Sammlung guter Ratschläge. Es ist die professionelle Gestaltung eines Entwicklungsraums, in dem Klarheit entstehen kann. Dieser Beitrag zeigt, warum professionelles Coaching verschiedene Rollen umfasst – und weshalb die Kunst darin liegt, im richtigen Moment die passende Rolle einzunehmen.

Rollen im Coaching: ein häufig missverstandenes Konzept
Coaching wird im Alltag immer noch oft mit Beratung verwechselt: jemand mit Erfahrung erklärt den Weg, zeigt Lösungen auf und sagt, wie etwas zu tun ist. Wenn das professionelles Coaching wäre, ließe es sich vermutlich als strukturierte Empfehlungssitzung gestalten. Mit Leitfaden, Checkliste – und vielleicht sogar einem laminierten Maßnahmenplan zum Mitnehmen. Tatsächlich arbeitet Coaching jedoch mit einer anderen Haltung: Es unterstützt Menschen dabei, eigene Klarheit und eigene Handlungsfähigkeit zu entwickeln.
Die Rolle der Prozessbegleitung – Coaching als Hebammenkunst
Die antike Philosophie beschreibt diesen Ansatz als Mäeutik – die Hebammenkunst. Die Hebamme erzeugt nichts. Sie ermöglicht. Sie schafft Bedingungen, in denen etwas, das bereits da ist, zur Entfaltung kommen kann. Übertragen auf Coaching bedeutet das: Der Coach gestaltet den Prozess, nicht das Ergebnis. Er stellt Fragen, hält Struktur, lässt Stille zu und schafft einen Raum, in dem Gedanken Form finden können. Und um es klar zu sagen: Dafür braucht es weder Klangschalen noch Räucherstäbchen – und auch nicht zwingend den Pezziball, der in so manchem Coachingraum ungerührt in der Ecke steht, bereit für einen Moment, der selten kommt.
Lernbegleitung – Wissen wird zu Können
Es gibt Phasen im Coaching, in denen das reine Raumhalten nicht ausreicht. Dann wird Coaching zur Lernbegleitung. Hier geht es darum, Wissen so zu strukturieren, dass es praktisch verfügbar wird: in schwierigen Gesprächen, Entscheidungen oder beruflichen Entwicklungssituationen. Keine Trainingsjacke, keine Stoppuhr – aber eine klare Methodik.
Orientierung als Angebot – Ratgeber ohne Vorgaben
Manchmal braucht es Erfahrungswissen. Nicht als Anweisung, sondern als Angebot. In dieser Rolle wird der Coach zum Mentor auf Zeit: Er teilt Perspektiven, ohne Lösungen vorzugeben. Die Verantwortung für Entscheidungen bleibt vollständig beim Coachee.
Sparringspartner – freundlicher Gegenwind
Es gibt Momente im Coaching, in denen Klarheit nicht entsteht, weil etwas fehlt – sondern weil etwas nicht hinterfragt wird. Hier wird der Coach zum Sparringspartner: Spiegelnd, präzise, wohltuend irritierend. Nicht konfrontativ, nicht entlarvend – sondern wahrnehmend und zugewandt.
Dialogpartner – Beziehung als Resonanzraum
Coaching ist ein Dialog. Nicht nur ein Austausch von Worten, sondern ein bewusstes Gegenübersein. In dieser Rolle wird der Coach zum Dialogpartner, der Beziehung als Medium für Erkenntnis nutzbar macht – ohne sie zu vereinnahmen.
Zusammenspiel statt Einzellogik
Professionelles Coaching besteht darin, zwischen diesen Rollen beweglich zu wechseln. Nicht mechanisch. Sondern aufmerksam, situativ, mit Gespür.
Und weiterhin: Pezziball optional. Nicht verpflichtend.