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Regenjacke. Gummistiefel. Ich-Botschaften.
Ein Urlaub steht bevor
Manchmal schreibe ich Blogbeiträge aus einer gewissen professionellen Distanz. Heute nicht. Denn: Wir stehen kurz vor unserem Sommerurlaub – und ich bin, sagen wir, innerlich in Vorbereitung.
Drei Wochen Nordsee. Wir, das heißt: mein Mann, unser Sohn, unser Hund und ich. Eine kleine Ferienwohnung auf einer dieser Inseln, auf der der Wind das ganze Jahr Saison hat. Und, wie es aussieht, dieses Jahr ganz besonders. Die Wetter-App spricht von „Tiefs“, „anhaltenden Niederschlägen“ und „steifen Brisen“. Und das mit einer beunruhigenden Gelassenheit.
Mich stört das gar nicht so sehr. Ich mag es, draußen zu sein – gerade dann. Regenjacke, Gummistiefel, Kapuze tief ins Gesicht, nasser Sand, leere Wege, salzige Luft. Ich freue mich darauf. Ehrlich. Mein Mann dagegen ist eher von der Fraktion „Dann mach ich’s mir halt schön drinnen“. Ein Buch, ein Kaffee, ein Sofa, dazu ein gelegentliches Stirnrunzeln Richtung Fenster – das reicht ihm. Verständlich. Und vollkommen legitim. Unser Sohn liegt irgendwo dazwischen. Eigentlich liebt er es, draußen herumzustreifen, Dämme zu bauen, Muscheln zu suchen. Aber er orientiert sich stark. Und wenn Papa es sich gerade gemütlich macht, dann ist das plötzlich auch sehr verlockend. Vor allem, wenn iPad und Switch in Reichweite sind. Und dann ist da noch der Hund. Der braucht keine Wetter-App. Der steht sowieso in dem Moment auf der Matte, in dem irgendwo eine Jacke raschelt. Schwanz wedelnd, Pfoten tapsbereit, Regen völlig egal. Hauptsache raus. Immer raus.

Drei Wochen Nähe – und viele Rollen
Drei Wochen Urlaub sind lang. Also: schön lang. Aber auch lang genug, dass man nicht jeden Tag in Harmonie und Verständnis durch die Dünen spaziert. Ich merke das schon jetzt, beim Packen. Ich falte Funktionskleidung. Zwei Regenjacken, drei Paar Schuhe, Kopflampen. Mein Mann fragt, ob wir das Puzzle mitnehmen sollen. Und irgendwo dazwischen liegt sie, die leise Hoffnung: Dass wir uns alle aufeinander einlassen. Dass es Momente gibt, in denen wir dasselbe wollen – zur selben Zeit.
Aber Urlaub ist keine Gleichschaltung. Urlaub ist Begegnung auf engem Raum. Und je länger er dauert, desto deutlicher zeigen sich unsere unterschiedlichen Rhythmen, Vorstellungen und Rollen. Ich bin nicht nur „die mit dem Rucksack“, sondern oft auch: die Planende. Die, die die Zeiten im Blick hat, das Wetter verfolgt, das „Was machen wir heute?“ beantwortet. Und genau deshalb spüre ich, wie wichtig es wird, nicht aus der Rolle heraus zu reagieren, sondern aus mir heraus zu sprechen.
Wenn die Stimmung kippt
Ich sehe es schon vor mir. Ich stehe an der Tür, Kapuze über den Kopf gezogen, Leine in der Hand, motiviert. Und keiner kommt mit. Ich ahne, was ich dann denke. Und was ich vielleicht sage. Etwas wie:
„Na toll. Ich bin wohl die Einzige, die hier wirklich Urlaub machen will.“
Oder: „Ist ja klar, dass ihr wieder nur drin bleibt.“
Klingt harmlos, oder? Ist es aber nicht. Denn was da mitschwingt, ist Enttäuschung, Frust, auch ein bisschen Selbstmitleid – verpackt als Vorwurf. Und solche Sätze, das habe ich über die Jahre inmitten vieler kluger Coaches gelernt, machen meist genau das Gegenteil von dem, was ich eigentlich erreichen will.
Ich-Botschaften – klein, aber wirksam
Was wirklich los ist, wäre nämlich eher so etwas wie:
„Ich bin gerade enttäuscht, weil ich gehofft hatte, wir machen das zusammen.“
„Ich merke, dass ich unruhig werde, wenn ich den ganzen Tag drinnen bin. Ich brauche Bewegung.“
„Ich wünsche mir gerade Gesellschaft da draußen – auch bei Regen.“
Das sind Ich-Botschaften. Ein bewährtes Coaching-Tool – aber vor allem eine Haltung. In dem Moment, in dem ich von mir spreche, übernehme ich Verantwortung. Ich mache mein Inneres sichtbar, ohne den anderen zu beschuldigen. Und ich lade ein, ohne zu drängen.
Ich sage nicht: Du bist zu bequem.
Ich sage: Ich brauche das jetzt.
Und das verändert etwas. Nicht immer sofort. Aber oft die Richtung. Vielleicht sagt mein Sohn dann: „Ich komm mit – aber nur, wenn wir danach heiße Schokolade trinken.“ Vielleicht bleibt mein Mann trotzdem auf dem Sofa – aber ohne den Schatten eines unterschwelligen Vorwurfs. Vielleicht laufe ich mit dem Hund allein durch den Regen – aber mit einem inneren Lächeln, weil ich mich nicht verraten habe.
Fazit: Ich bleib bei mir
Ich-Botschaften sind nicht elegant. Manchmal wirken sie ungewohnt. Sie haben nichts von der schneidigen Schlagfertigkeit eines Urlaubszoffs. Aber sie sind ehrlich. Und sie lassen Raum. Für Antwort, für Nähe, für Humor.
Und vielleicht sind sie genau das, was wir im Urlaub am meisten brauchen. Nicht die perfekten Bedingungen. Sondern eine Sprache, die uns erlaubt, verschieden zu sein – ohne uns voneinander zu entfernen.
Ich nehme sie also mit, die Ich-Botschaften. Nicht als Technik, sondern als innere Haltung. Nicht, um alles glattzubügeln – sondern, um ehrlich zu bleiben.
Neben der Regenjacke, der Matschhose, der Thermoskanne. Und dem Hund, der schon jetzt an der Tür steht. Bereit für jedes Wetter. So wie ich. Fast.